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Anti-Star Trek

eine Utopie

Lily: Wieviel hat dieses Schiff gekostet?
Picard: Die Wirtschaft der Zukunft funktioniert ein bisschen anders: Sehen Sie, im 24. Jahrhundert gibt es kein Geld.
Lily: Es gibt kein Geld? Heißt das Sie werden nicht bezahlt?
Picard: Der Erwerb von Reichtum ist nicht mehr die treibende Kraft in unserem Leben. Wir arbeiten, um uns selbst zu verbessern - und den Rest der Menschheit.
-- Star Trek VIII

 

Während ich dabei war einige Gedanken zusammenzutragen - über geistiges Eigentum, Güter mit Null Grenzkosten, immaterielle Arbeit und den anstehenden Übergang zu einer Form des Kapitalismus, die immer mehr auf politischen Renten 1 basiert - habe ich an einem Gedankenexperiment gearbeitet: eine mögliche zukünftige Gesellschaft, die ich  Anti-Star Trek nenne. Ich versuche mich damit an einer Theorie der Nachwelt.

Es ist ein faszinierender Aspekt an der Welt von Star Trek, wie Gene Roddenberry sie in The Next Generation und den anschließenden Serien präsentierte, dass sie im Grunde eine kommunistische Gesellschaft zu sein scheint. Es gibt kein Geld, alle haben Zugriff auf alle nötigen Ressourcen, und niemand ist verpflichtet zu arbeiten. Befreit von der Notwendigkeit Lohnarbeit für das eigene Überleben zu verrichten, steht es den Menschen frei in Raumschiffe zu steigen und in der Galaxie herumzufliegen, zur ihrer Erbauung und ihrem Abenteuer. Außerirdische, die immer noch an das Horten von Geld und materiellen Besitztümern glauben, wie die Ferengi, werden als barbarische Anachronismen angesehen.

Die technischen Bedingungen, unter denen diese Gesellschaft möglich ist, setzen sich aus zwei grundlegenden Komponenten zusammen. Die erste ist der Replikator, eine Technologie, die sofort und ohne menschliche Arbeit Kopien von jedem Objekt machen kann. Die zweite ist ein scheinbar unbegrenzter Vorrat an kostenloser Energie, durch Antimaterie-Reaktionen oder Dilithium-Kristalle oder was auch immer. Es ist, alles in allem, eine Gesellschaft, die Knappheit überwunden hat.

Anti-Star Trek nimmt die gleichen technologischen Voraussetzungen: Replikatoren, kostenlose Energie, und eine Wirtschaft jenseits des Mangels. Aber es kombiniert sie mit einem anderen Satz von sozialen Beziehungen. Anti-Star Trek ist ein Versuch, die folgende Frage zu beantworten:

Angesichts von materiellem Überfluss, ermöglicht durch den Replikator, wie wäre es möglich, ein System basierend auf Geld, Profit und Klassenherrschaft aufrecht zu erhalten?

Ökonomen sagen, dass kapitalistische Marktwirtschaften optimal funktionieren, wenn sie verwendet werden um knappe Güter zu verteilen. Wie also lässt sich der Kapitalismus in einer Welt, wo Knappheit weitgehend überwunden ist, aufrechterhalten? Was folgt, sind ein paar Schritte in Richtung einer Antwort auf diese Frage.

Wie auch der industrielle Kapitalismus beruht die Wirtschaft von Anti-Star Trek auf einem bestimmten vom Staat durchgesetzten Regime der Eigentumsverhältnisse. Allerdings ist die Art von Eigentum, die bei Anti-Star Trek im Mittelpunkt steht, nicht physisches, sondern geistiges Eigentum, wie es im Patent- und Copyright-System festgeschrieben ist. Während heutige Apologeten des geistigen Eigentums davon sprechen, als ob es im Großen und Ganzen analog zu anderen Arten des Eigentums wäre, basiert es eigentlich auf einem ganz anderen Prinzip. Wie die (libertären) Ökonomen Michele Boldrin und David K. Levine aufzeigen:

Bei geistigen Eigentumsrechten geht es nicht um dein Recht, deine Kopie deiner Idee zu kontrollieren - das ist ein Recht, das nicht viel Schutz benötigt. Worum es beim geistigen Eigentum wirklich geht, ist dein Recht, meine Kopie von deiner Idee zu kontrollieren. Dies ist kein Recht, was gewöhnlich oder automatisch dem Besitzer von anderen Arten des Eigentums gewährt wird. Wenn ich eine Tasse Kaffee produziere, habe ich das Recht zu entscheiden, ob ich sie dir verkaufe oder sie selber trinke. Aber mein Eigentumsrecht ist kein automatisches Recht, dir sowohl die Tasse Kaffee zu verkaufen, als auch dir vorzuschreiben, wie du sie zu trinken hast.

Eben das ist das Wesen des geistigen Eigentums, das die wirtschaftliche Grundlage für Anti-Star Trekbildet: die Fähigkeit, anderen zu sagen, wie die Kopien von einer Idee, die du "besitzt", zu verwenden sind. Um Zugriff auf einen Replikator zu bekommen, musst du einen von einer Firma kaufen, die dir die Lizenz einen Replikator zu benutzen gibt. (Niemand kann dir einen Replikator geben oder mit seinem Replikator herstellen, weil das gegen die Lizenzbedingungen verstoßen würde). Mehr noch, jedes Mal wenn du etwas mit dem Replikator herstellst, musst du auch eine Lizenzgebühr an den Rechteinhaber der bestimmten Sache entrichten. Wenn also Captain Jean-Luc Picard von Anti-Star Trek "Tee, Earl Grey, heiß" will, muss er dem Unternehmen, das das Replikatormuster für heißen Earl Grey Tee urheberrechtlich geschützt hat, etwas zahlen. (Vermutlich besitzt irgendeine andere Firma die Rechte an kaltem Tee.)

Das löst das Problem, wie man profitorientierte kapitalistische Unternehmen erhält, zumindest oberflächlich. Wer seine Bedürfnisse aus dem Replikator zu stillen versucht, ohne die Urheberrechtskartelle zu bezahlen, würde ein Krimineller werden, wie die heutigen Online-Filesharer. Aber wenn jeder ständig gezwungen ist Lizenzgebühren zu zahlen, dann muss es einen Weg geben Geld zu verdienen, und das bringt ein neues Problem mit sich. Mit Replikatoren gibt es keine Notwendigkeit mehr für menschliche Arbeitskraft in irgendeiner Art von physischer Produktion. Welche Arten von Arbeitsplätzen würde es in dieser Wirtschaft geben? Hier sind ein paar Möglichkeiten.

Die kreative Klasse. Es wird Bedarf an Menschen geben, die sich neue Dinge zum Replizieren ausdenken, oder neue Variationen alter Dinge, die dann urheberrechtlich geschützt und als Grundlage für zukünftige Lizenzeinnahmen verwendet werden können. Aber dies wird nie eine sehr große Quelle an Arbeitsplätzen sein. Denn die erforderliche Arbeit, um ein Muster zu erstellen, das unendlich repliziert werden kann, ist um Größenordnungen kleiner als die Arbeit, die in einem physischen Produktionsprozess benötigt wird, in dem das gleiche Objekt immer und immer wieder hergestellt wird. Außerdem werden, wie wir heute schon sehen können, viele Leute von ganz allein kreativ und innovativ sein, ohne dafür bezahlt zu werden. Die Kapitalisten von Anti-Star Trek würden wahrscheinlich feststellen, dass es wirtschaftlicher ist, einfach durch die Reihen der unbezahlten Kreativen zu gehen, neue Ideen zu finden, die viel versprechend scheinen, und sie dann von den Machern abzukaufen und in geistiges Eigentum der Firma zu überführen.

Rechtsanwälte. In einer Welt, wo die Wirtschaft auf geistigem Eigentum basiert, werden Unternehmen sich ständig gegenseitig wegen angeblicher Verstöße gegen Urheberrechte und Patente verklagen. Dies wird einen wesentlichen Teil der Bevölkerung beschäftigen. Aber auch hier sehe ich nicht, wie das genug sein könnte, um eine gesamte Wirtschaft zu erhalten. Besonders wegen eines Themas, das hier immer wieder aufkommt: Fast alles kann im Prinzip automatisiert werden. Man kann sich leicht vorstellen, wie die großen Firmen Verfahren für Massenklagen entwickeln, die mit immer weniger menschlichen Anwälten auskommen. Andererseits wird vielleicht ein Gleichgewicht entstehen, wenn alle einen Anwalt zur Stelle haben müssen, weil sie sich die Auto-Anwalt-Software nicht leisten können, aber trotzdem Klagen von Firmen abwehren müssen, die auf große Entschädigungen wegen angeblicher Verstöße spekulieren.

Marketingpersonal. Im Laufe der Zeit wird die Liste der Dinge, die man replizieren kann, nur weiter wachsen, aber das Geld der Leute zum Kauf der Lizenzen - und ihre Zeit sich an den replizierten Dingen zu erfreuen - wird nicht mithalten können. Die größte Bedrohung für die Profite einer Firma werden nicht die Kosten für Arbeitskraft oder Rohstoffe sein - von beidem benötigen sie kaum etwas - sondern die Aussicht, dass ihre Lizenzen an Popularität gegen die der Wettbewerber verlieren.  Also wird es einen niemals endenden und ruinösen Wettbewerb geben, um das geistige Eigentum der einen Firma als dem der anderen überlegen zu vermarkten: Coke gegen Pepsi, Ford gegen Toyota, und so weiter. Das sollte eine kleine Armee im Bereich Werbung und Marketing beschäftigt halten. Aber wieder droht das Gespenst der Automatisierung: Fortschritte im Bereich Data Mining, maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz könnten die erforderliche Menge an menschlicher Arbeit auch in diesen Bereichen verringern.

Wacharbeit. Der Begriff "Wacharbeit" wird von den Ökonomen Bowles und Jayadev verwendet, um folgendes zu bezeichnen:

Die Bemühungen der Aufseher, Wachen und Soldaten... die sich nicht auf die Produktion richten, sondern auf die Durchsetzung von sich aus dem Tausch ergebenden Ansprüchen, sowie das Streben nach oder die Verhinderung von einseitigem Eigentumstransfer.

Mit anderen Worten, Wacharbeit ist die Arbeit, die in einer Gesellschaft mit großen Ungleichheiten an Reichtum und Macht benötigt wird, um die Armen und Machtlosen daran zu hindern, sich von den Reichen und Mächtigen einen Teil zurückzuholen. Da der ganze Zweck von Anti-Star Trekdarin besteht, solche Ungleichheiten aufrechtzuerhalten, auch wenn sie ökonomisch überflüssig erscheinen, wird es offensichtlich immer noch einen großen Bedarf an Wacharbeit geben. Zusätzlich wird die Notwendigkeit geistige Eigentumsrechte durchzusetzen die Nachfrage nach solchen Arbeitskräften noch steigern, da sie eine sorgfältige Überwachung dessen erfordert, was einst in den Bereich der Privatsphäre fiel. Wieder einmal jedoch droht die Automatisierung: Roboterpolizei gefällig?

Mir scheint, das wären die wichtigsten Quellen für Arbeitsplätze in der Welt von Anti-Star Trek. Es ist jedoch schwer zu glauben, dass sie ausreichen würden. Die Gesellschaft wäre wohl einem ständigen Trend zur Unterbeschäftigung ausgesetzt. Dies gilt vor allem da alle Sektoren, vielleicht mit Ausnahme des ersten, einem Druck hin zu arbeitssparenden technischen Innovationen ausgesetzt sind. Außerdem gibt es noch eine anderen Möglichkeit für private Unternehmen die Beschäftigung von Arbeitnehmern für einige dieser Aufgaben zu vermeiden: Mache sie zu Aktivitäten, die Leute angenehm finden, und sie deshalb kostenlos in ihrer Freizeit tun. Firmen wie Google experimentieren bereits mit solchen Strategien. Der Informatiker Luis von Ahn hat sich auf die Entwicklung von "Spielen mit Zweck" spezialisiert: Anwendungen, die sich dem Benutzer als angenehmer Zeitvertreib präsentieren, aber auch nützliche Rechenaufgaben lösen. Eines seiner Spiele bat die Nutzer Objekte auf Fotos zu identifizieren. Die Daten wurden dann in eine Datenbank eingespeist, die zur Bildersuche verwendet wurde. Es braucht nicht viel Phantasie, um zu sehen, wie dieser Forschungszweig zur Welt von Orson Scott Cards Roman "Das große Spiel" führen könnte, in dem Kinder per Fernbedienung einen interstellaren Krieg führen, mithilfe von etwas, was sie für Videospiele halten.

Also ist das Hauptproblem, vor dem die Gesellschaft von Anti-Star Trek steht, das Problem der effektiven Nachfrage: Das heißt, wie sichergestellt werden kann, dass die Menschen Geld verdienen können um sich die Lizenzgebühren leisten zu können, von denen der private Profit abhängt. Natürlich ist dies nicht so verschieden von dem Problem, mit dem der industrielle Kapitalismus konfrontiert ist. Aber es wird immer schwerer, dadurch dass menschliche Arbeitskraft immer mehr aus dem System verdrängt wird, und Menschen als Elemente der Produktion überflüssig werden, obwohl sie als Konsumenten notwendig bleiben.

Letztlich wird selbst das kapitalistische Eigeninteresse eine gewisse Umverteilung des Reichtums nach unten erforderlich machen, um die Nachfrage zu stützen. Die Gesellschaft erreicht einen Zustand, in dem, wie der verstorbene André Gorz es ausdrückte, "die Verteilung von Zahlungsmitteln dem gesellschaftlich produzierten Reichtum entsprechen muss, und nicht der Menge an geleisteter Arbeit". Dies gilt vor allem für eine Welt, die von Abgaben auf geistiges Eigentum statt von Wert in Form von Arbeitszeit abhängt.

Aber hier steht die Klasse der Kapitalisten einem kollektiven Handlungsproblem gegenüber. Im Prinzip wäre es möglich, das System durch Besteuerung der Gewinne profitabler Unternehmen und durch Umverteilung des Geldes zurück an die Verbraucher zu erhalten - möglicherweise in Form eines bedingungslosen Grundeinkommens, eventuell im Gegenzug für irgendeine Art von bedeutungsloser Arbeit. Aber selbst wenn Umverteilung aus Sicht der Klasse als Ganzes wünschenswert ist, wird jedes einzelne Unternehmen oder jede reiche Person einen Anreiz zum Trittbrettfahren haben, und sich deshalb Bemühungen um eine umverteilende Steuer widersetzen. Natürlich könnte die Regierung auch einfach Geld drucken, um es der Arbeiterklasse zu geben, aber die daraus resultierende Inflation würde nur eine indirekte Form der Umverteilung bedeuten und ebenfalls Widerstand wecken. Schließlich gibt es die Möglichkeit, Konsum durch Verschuldung der Verbraucher zu finanzieren, aber dies verzögert die Absatzkrise bloß, anstatt sie zu lösen, wie die Bewohner der Gegenwart nur allzu gut wissen.

Dies alles schafft die Voraussetzungen für ständige Stagnation und Krise in der Welt von Anti-Star Trek. Und dann gibt es natürlich noch die Massen. Würde die Macht der Ideologie stark genug sein, damit die Menschen den von mir beschriebenen Stand der Dinge akzeptieren? Oder würden die Leute anfangen zu fragen, warum die Fülle an Wissen und Kultur durch restriktive Gesetze eingeschlossen wird, wenn doch eine "andere Welt möglich ist", jenseits des Regimes der künstlichen Knappheit?

 

Original von Peter Frase, 2010. Übersetzung und Bearbeitung: systempunkte.org

  • 1. im Gegensatz zur traditionellen Warenproduktion. D.h., man erzielt Profite nicht dadurch, dass Werte geschaffen werden, sondern dadurch, dass man die gesellschaftlichen Regeln zu seinen Gunsten verändert. Ein Beispiel hierfür: Lobbying für verlängerten Urheberrechtsschutz. - Anm. d. Ü.

Kommentare

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keine patente, keine lizenzen, keine künstliche knappheit. usw.
das system muss ohne diese sachen auskommen.

geistiges eigentum ja. aber wenns der menschheit was bringt muss es geteilt werden. z.b. die replikator technologie. wenn dieser gedanke bei jedem menschen angekommen ist, wird technologisch sehr schnell vorangehen.

jeder mach das woran er freude hat (somit das was er am besten kann).

dann hätten wir das optimum.

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Das Anti-Star Trek: http://www.peterfrase.com/2011/08/das-anti-star-trek/

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Ja, es steckte halt schon immer sehr viel unverblümte Wahrheit in allen Star-Trek-Filmen...