Anfang dieses Jahres erschien das Jahrbuch 2012 der Max Stirner Gesellschaft, dass die Ergebnisse des 2011 in Frankreich stattgefunden Stirner-Kongresses festhält. Angesichts dessen sind auch der überwiegende Anteil der Beiträge in französischer Sprache. Diese können hier leider auf Grund meiner fehlenden Sprachkenntnis keine Beachtung finden. Lediglich die deutschsprachigen Bestandteile werden hier rezensiert.
Der Fokus auf Frankreich bleibt in den deutschsprachigen Beiträgen erhalten. So folgt Maurice Schuhmann in seinem Beitrag „Die Phalanx der Egoisten“ dem schon von Marx und Engels in der deutschen Ideologie unterstellten Zusammenhang des stirnerschen Konzept des Vereins mit der Gesellschaftstheorie des Frühsozialisten Charles Fouriers.
Sowohl das Konzept des Vereins als auch die Vorstellungen Fouriers, der heute selbst unter Sozialist_innen weitgehend vergessen ist, werden knapp dar- und anschließend gegenübergestellt. Zwar werden einige, meines Erachtens eher oberflächliche Gemeinsamkeiten zwischen Fourier und Stirner gefunden, schnell triet aber auch die Grundverschiedenheit der Ansätze zu Tage.
Der apodiktische Schluss: „Damit muss die Konfrontation Stirners und Fouriers als ein [sic] Sackgasse der Forschung angesehen werden.“ (S. 41) scheint mir dennoch etwas voreilig und sollte relativiert werden. Zwar legt der Beitrag wirklich überzeugend Nahe, dass Stirners Verein nicht als einfache Fortführung der Überlegungen Fouriers gelesen werden kann, dies schließt aber nicht aus das eine Konfrontation auf anderen Gebieten produktiv sein könnte. Und selbst wenn es gar keinen bedeutenden Einfluss von Fourier auf Stirner geben haben mag, heißt dies noch nicht unbedingt, dass nicht womöglich einzelne Gedanken gewinnbringend gegenübergestellt werden könnten. Insbesondere im Bereich von Trieben und Lust scheint innerhalb des Textes eine spannende Konfrontation möglich, die von Maurice Schuhmann aber etwas schnell geschlossen wird (vgl. S. 40).
Arno Münster geht in seinem Beitrag den umgekehrten Weg. Statt den Einfluss einer Schule der französischen Philosophie auf Max Stirner zu untersuchen, betrachtet er den Einfluss Stirners auf eine der wichtigsten philosophischen Strömungen des vergangenen Jahrhunderts: den französischen Existenzialismus. Münster hat es hierbei eindeutig leichter, ist doch der Bezug streckenweise sehr explizit und bezüglich der theoretischen Beziehung existiert bereits der Band „Aux Sources de l'existentialimse: Max Stirner“ von Henri Arvon. So kann Münster ein bereits gelegtes Fundament heranziehen und sich auf eine genauere Analyse der Stirner Rezeption Albert Camus einlassen. Wichtig ist hierbei besonders die Kontroverse um die Frage, ob Stirner Nihilist sei, beziehungsweise als solcher mit Nietzsche in Verbindung zu bringen ist.
Der eher geringe Einfluss auf Sarte wird dagegen nur entsprechend kurz abgehandelt, obwohl dieser einen interessanten Bezug zwischen Stirner und dem Marquis de Sade herstellt (vgl. S. 63f.).
Zu diesen beiden Beiträgen gesellen sich noch fünf deutschsprachige Rezensionen, zwei davon zur Übersetzung des eben erwähnten Buches Henri Arvons. Dieses Buch ist das einzig Rezensierte, das auch in deutscher Sprache vorliegt.
Insgesamt liefert das Jahrbuch einige auf Frankreich fokussierte Forschungsergebnisse, die für fortgeschrittenen Stirner Leser_innen von Interesse sind. Inhaltlich solide, ist an manchen Stellen leider das Fehlen eines genauen Lektorat unübersehbar. So wurde auf S. 37 dem Anschein nach ein Satz neu formuliert, aber die alte Fassung nicht entfernt, wodurch es zu einer unschönen Dopplung kommt.
Empfohlen werden kann das Jahrbuch wohl nur jenen, die des Französisch mächtig sind, ist doch der überwiegende Anteil der Beiträge in dieser Sprache verfasst. Der sehr lobenswerte transnationale Fokus setzt hier leider gleichzeitig linguistische Grenzen.
„Der Einzige – Jahrbuch der MSG 2012“ Herausgegeben von der Max Stirner Gesellschaft.
110 Seiten, A5-Format, ISBN 978-3-933287-88-5, Euro 25,00