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Bilder der Protestierenden

Ach was muss man oft von schlimmen Randalierern hören oder lesen, wie von diesen, die wir griechische hießen. - frei nach Wilhelm Busch

Dieser Blog-Eintrag möchte die Bilder mit denen die Protestierenden in Griechenland aufzeigen und Kritik an ihnen üben. Dazu wird die Berichterstattung durch Mainstream-Medien genommen und den Grassroot-Medien der Protestierenden und ihrer Sympathisant_innen gegenüber gestellt.

Selbst die eher wohlgesonnenen Zeitungen und Medien des Mainstreams treten kaum näher an das Geschehen heran. Die Proteste und die Protestierenden werden immer Anhand von Anlässen, von Einzelereignissen präsentiert, diese sind meist Ausschreitungen bei Demonstrationen, Anschläge und sehr selten die Verhaftung von Personen, die angeblich mit den Stadtguerillas oder Bombenaktionen in Verbindung stehen. Dabei fehlt jede tiefere Begutachtung des Hintergrunds, jede Situationsanalyse und jeder kritische Blick auf Meldungen. Immer wieder kommt es vor, dass in Griechenland Falschmeldungen verbreitetet werden, die so haarsträubend sind, dass sie später in den griechischen Medien dementiert oder korrigiert werden müssen. Diese Falschmeldungen schaffen es ob ihrer schockiernden Beschreibungen oft über die nationalen Grenzen der Berichterstattung, die Dementi und Zurechtrückungen der selben Nachrichten leider nicht.

Aufgrund der vereinfachten Darstellung werden zudem immer einfache Kausalketten geschmiedet. Diese präsentieren folgendes Schema: Aufgrund von Kürzungen oder ähnlichem kommt es zu Demonstrationen und aus diesen heraus zu Ausschreitungen. Ein Beispiel hierfür liefert die TAZ:

"Proteste gegen ein Sparpaket der griechischen Regierung sind am Mittwoch in heftige Ausschreitungen umgeschlagen. In der Athener Innenstadt setzte die Polizei Tränengas und Blendgranaten gegen Demonstranten ein, die mit Brandsätzen zwei Hotels angriffen. Auch Beamte wurden mit Benzinbomben und Wurfgeschossen attackiert." zitiert nach: http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/schwere-randale-in-athen/

Interessant ist wie die Polizei die Demonstrant_innen, die mit Brandsätzen warfen, mit Tränengas und Blendgranaten angriffen. Wie sollen wir uns vorstellen, dass auschließlich diese Demonstrant_innen von Tränengas und Blendgranaten beeinträchtigt wurden? Tränengas und Blendgranaten wirken kollektiv, die Brandsätze wurden aber individuell geworfen- Eine Darstellung, der zufolge diese polizeiliche Mitteln eine angemesse Reaktion sein, ist daher, als inkorrekt zu verwerfen. Weiters lässt sich fragen, ob der vorgestellte zeitliche Ablauf den glaubhaft ist, meist setzt die Repression bei Demonstrationen ein, bevor Brandsätze fliegen und Griechenland ist wahrlich nicht für seine zurückhaltende Polizei bekannt.

Die "Qualitätsmedien" marginalisieren und entmenschlichen die Protestierenden, indem sie sie als eine Art "natürliche Reaktion" auf die Sozialkürzungen und verheerenden Zustände in Griechenland darstellen. Noch vereinfachender und verzerrender sind die Boulevardmedien. Europaweit wird die griechische Bevölkerung von diesen als korrupt porträtiert und die Protestierenden als Verteidiger_innen von absurden Privilegien. Dass die Protestierenden, die bei ihnen schlicht "Randalierer" oder "Chaoten" heißen, mittlerweile zu großen Teilen aus Migrant_innen bestehen, die über keinerlei Privilegien verfügen, wird von ihnen schlichtweg übergangen.

Die BILD-Zeitung ist natürlich vorne weg bei solchen krass vereinfachten Beschreibungen: "Nicht nur die mächtigen Gewerkschaften kleben an irren Privilegien" Ein großer Teil der von der BILD-Zeitung beschriebenen Verfehlungen liegt im Bereich der Steuerhinterziehung, diese werden als „typisch“ griechisch porträtiert.

Die Griech_innen werden als immer zu streikend dargestellt und mehr Mitspracherecht (eigentlich Bevormundungsrecht) für Deutschland gefordert:

"Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, sprach sich für eine Umschuldung Griechenlands aus, fordert ein stärkeres Mitspracherecht des Bundestages: „Zur Sicherung des Haushaltsrechts des Bundestages und auch, um die Beteiligung privater Gläubiger zu sichern, brauchen wir ein parlamentarisches Vetorecht.“" zitiert nach: http://www.bild.de/geld/wirtschaft/griechenland-krise/streiks-kosten-11-miliarden-euro-17851102.bild.html

Ein starker Paternalismus, der einhergeht mit rassistischem Zuschreibungen, ist deutlich merkbar. Die "faulen" Griech_innen können sich nicht selbst helfen, daher muss Deutschland (oder die EU, oder der IWF) sie unter Druck setzen damit es ihnen besser geht.

In den Grassroot-Medien der Protestierenden und ihrer Sympathisant_innen wird an das Bild wesentlich näher herangegangen. Die von den Protestierenden selbst erzählten Geschichten sind zutiefst persönlich, oft kennen wir ihre Namen, wenn nicht gar ihre Gesichter. Von insurrektionalistischen Webseiten wie https://actforfreedomnow.wordpress.com/, aber auch von Indymedia-Beiträgen, wissen wir, dass es Yannis K. war, dessen Kopf von Einheiten der MAT derart malträtiert wurde, dass er mit lebensbedrohlichen Verletzungen in ein Krankenhaus geliefert werden musst. Wir hören von Hassan, dem 9 Jahre alten Jungen aus Afghnistan, wie er die Übergriffe durch Faschist_innen schildert.

Derart nah kann aber, aus Gründen des Selbstschutzes vor Polizeirepression, nur an Betroffene der Repression herangegenangen werden. Die Bilder der Kämpfenden müssen anonym bleiben um nicht das Ziel der Polizei zu werden. Diese Bilder könne auch die ungeschöne Zerstörung durch die Kämpfenden zeigen, wie zum Beispiel eine Bildstrecke mit Fotos von Polizist_innen die von Molotow-Cocktail-Flammen umgeben sind. Hierbei klingt immer wieder eine gewisse Revolutionsromantik und Verklärung von Gewalt an, die sich wohl hinter dem Hintergrund der ständigen Repression und der ihr ausgesetzen individuellen Schicksale verstehen lässt.

Natürlich könnte hier die Kritik angebracht werden, dass dadurch das große Ganze, die stetige Entwicklung, die zugrunde liegenden Strukturen verdeckt werden durch die vielen Einzelbeschreibungen. Dies kommt daher, dass gerade insurrektionalistische Anarchist_innen sehr viel der Information ausmachen und diese einen radikal individuellen Blickpunkt bevorzugen. Aber es gibt auch Texte auf indymedia und anderen Webseiten, wie jener von Wolf Wetzel, die auf die breiteren ökonomischen Hintergründe eingehen.

Das größte Problem ist wohl die schier unüberschaubare Zahl an Texten und Verlautbarungen. 491 nummerierte Einträge zählt der Griechenland-Blog bei occupiedlondon.org, während diese Zeilen geschrieben werden. Schon bei der Veröffentlichung werden es mehr sein. Im Vergleich dazu, können die Bilder der Protestierenden in den Mainstream-Medien nur grobe Scherenschnitte sein, nur Abrisse der komplexen Zustände.

 

Weiterführende Links und Texte:

Eine Broschüre zu der in Griechenland aktiven Stadtguerilla "Verschwörung der Feuerzellen" (gehostet bei 325.nostate.net)

Griechenland-Blog bei occupiedlondon.org

Insurrektionalistischer Blog actforfreedomnow.wordpress.com mit vielen Nachrichten aus Griechenland

 

Bücher:

Der 3. Band der Bibliothek des Widerstands "Schrei im Dezember" beschäftigt sich mit den Aufständen nach der Ermordung von Alexis

"Revolt and Crisis in Greece: Between a present yet to pass and a future still to come" erschienen bei AK Press